Mit 2.414 Tieren aus 181 Arten wurden im vergangenen Jahr die zweitmeisten Tiere in einem Jahr seit der Gründung des NABU-Artenschutzzentrums im Jahr 1980 versorgt. Es ist gut möglich, dass sogar der Höchststand aus dem Jahr 2008 (2.486 Tiere) erreicht worden wäre, wenn nicht vogelgrippebedingt zu Anfang des Jahres bis Mitte Februar keine Vögel aufgenommen werden konnten.
„Auf die Anzahl der Vögel sind die gestiegenen Pflegetierzahlen jedoch nicht so sehr zurückzuführen“, wie Bärbel Rogoschik, Leiterin des NABU-Artenschutzzentrums, erläutert, „vielmehr hatten wir im Bereich der Reptilien einen starken Zuwachs, der neben dem Zucht- und Wiederansiedlungsprojekt für die Europäische Sumpfschildkröte vor allem auf einige Beschlagnahmungen zurückzuführen war. Insgesamt wird uns die Gruppe der Reptilien auch in Zukunft vermutlich noch sehr beschäftigen, da die Haltung solcher Tiere in Privathand nach wie vor äußerst beliebt ist“.
Die größte Gruppe zu versorgender Tiere wurde wie jedes Jahr von den einheimischen Vögeln gebildet, die es auf 1.381 Tiere aus 91 Arten brachten. Hiervon war fast genau jeder zehnte ein Greifvogel, was in etwa dem langjährigen Schnitt entspricht. Wie schon im Jahr zuvor war der Turmfalke die häufigste Greifvogelart, diesmal mit 65 Individuen. Bei den Eulen wurden 37 Tiere aus 6 Arten gepflegt. Unter ihnen befanden sich auch 10 Waldkäuze, dem „Vogel des Jahres 2017“.
Ebenfalls in höherer Zahl war der Weißstorch als Pflegling im NABU-Artenschutz-zentrum vertreten (42 Individuen), was sicherlich mit dem auf Rekordniveau befindlichen Weißstorchbestand im Freiland in Verbindung zu bringen ist (918 Paare in Niedersachsen und Bremen). Anlass zur Sorge bereitet hier der Nahrungserwerb einiger Störche, denn zum wiederholten Male kam es zu Problemen mit aufgenommenem Müll. „Wir haben wieder einen Storch bekommen, der im Laufe der Behandlung zahlreiche Gummibänder ausgewürgt hat. Das gleiche hatten wir auch schon 2015 bei einem Storch, der fast an den Bändern erstickt wäre. Zudem wurden auch schon weitere Störche in unserer Region beobachtet, wie sie Gummibänder aufgenommen oder ausgewürgt haben. Wahrscheinlich verwechseln sie diese mit Würmern oder ähnlichem Getier“, vermutet Rogoschik.
Die häufigste Art unter den Wildvögeln war einmal mehr die Amsel, die es auf 159 Individuen brachte. Ein guter Beleg dafür, dass der Usutu-Virus, der vor allem in Süddeutschland für hohe Ausfälle bei dieser Art verantwortlich ist, in unserer Region noch nicht für größere Schäden gesorgt hat.
Erstmals mehr als 500 Reptilien
Erstmals in der Geschichte des Zentrums wurden über 500 Reptilien versorgt (539 Tiere/38 Arten). Verantwortlich für diese hohe Zahl ist zum einen das Zucht- und Wiederansiedlungsprojekt für die Europäische Sumpfschildkröte, in dessen Rahmen mit 115 neu ausgewilderten Tieren sich die Gesamtzahl ausgewilderter Tiere nunmehr auf 242 Individuen beläuft. Zum anderen fanden im vergangenen Jahr einige Beschlagnahmungen statt, bei denen knapp 80 Tiere behördlich eingezogen wurden. Innerhalb der Beschlagnahmungen stach ein Fall hervor, bei dem allein knapp 60 Landschildkröten aus tierschutzrechtlichen Gründen eingezogen werden mussten.
Auch bei den Säugetieren gab es einen Anstieg der Pflegetierzahlen auf nun 419 Tiere aus 24 Arten. Besonders Igel (222 Individuen) hatten mit der Witterung zu kämpfen, da sich bis zum Jahresende kein wirklicher Winter einstellen wollte. So kam es, dass dem NABU-Artenschutzzentrum bis zum Jahresende Igel zugetragen wurden, die den Sprung in die Winterruhe noch nicht geschafft hatten.
13 Wildkatzen in Pflege
Für eine große Überraschung sorgten ein ganzer Schwung (junger) Wildkatzen (13 Ind.), die aus unterschiedlichen Gründen versorgt werden mussten. Wenn man die Anzahl der Pflegetiere dieser Art in Beziehung zur Anzahl der freilebenden Wildkatzen setzt, so ist von einer weitergehenden Ausbreitung der Art auszugehen.
Die höchste Anzahl Pflegetiere aus dem Landkreis Gifhorn
Mit 669 Tieren stammen die meisten Pflegetiere wie jedes Jahr aus dem Landkreis Gifhorn. Der Grund ist natürlich, dass auch das NABU-Artenschutzzentrum im Landkreis Gifhorn beheimatet ist, was mit kurzen Anfahrtswegen gleichzusetzen ist. Es ist nachvollziehbar, dass die Anzahl der Pflegetiere mit zunehmender Entfernung zum Zentrum schrumpft. Insgesamt erreichten das Zentrum die Tiere jedoch aus immerhin 45 Landkreisen oder kreisfreien Städten aus 9 verschiedenen Bundesländern oder Stadt-Staaten.
Die Gründe für die Einlieferung von Pflegetieren in das NABU-Artenschutzzentrum sind erfahrungsgemäß unterschiedlichster Natur. Den traditionell größten Block stellen die verwaisten Tiere (761 Individuen), gefolgt, von den Kollisionsopfern (235 Individuen), Tiere, denen durch andere Tiere Verletzungen zugefügt wurden (153 Individuen), Zivilisationsopfern (ebenfalls 153 Individuen), und den entwichenen oder ausgesetzten Tieren (143 Individuen). Danach folgt, mit immerhin 129 Tieren, die Gruppe der behördlich eingezogenen Tiere. In den vergangenen Jahren lag die Zahl der beschlagnahmten Tiere immer deutlich unter der 100er-Grenze, was laut Mitarbeiter Joachim Neumann aber nicht am eigentlichen Beschlagnahmungsbedarf liegt: „Wir haben nach wie vor eine Gesetzeslage, die eine Kontrolle der im Umlauf befindlichen Tiere geschützter Arten gar nicht möglich macht, da deren Aufenthaltsorte den Behörden größtenteils nicht bekannt sind. Nach gängigem Recht sind die Käufer solcher Tiere verpflichtet, sie ordnungsgemäß anzumelden, was in den meisten Fällen aber unterbleibt. Weitaus besser wäre es, wenn die Verkäufer geschützter Arten die Käufer bei der Behörde melden müssten.“
Die Auswertung der Einlieferungszeiten hat einmal mehr ergeben, wie wichtig es ist, dass das NABU-Artenschutzzentrum rund um die Uhr erreichbar ist. Etwa jedes dritte Tier wurde außerhalb der regulären Öffnungszeiten von 9:00-17:00 Uhr eingeliefert.
Veranstaltungen sind wichtiger Baustein
Neben der Tierpflege ist für das NABU-Artenschutzzentrum die Umweltbildung ein wichtiges Aufgabenfeld. So fanden 127 Veranstaltungen mit 2.152 Teilnehmern statt. Die häufigsten Veranstaltungen waren 37 Seminare, gleichauf mit 37 Kindergeburtstagen. Darüber hinaus wurden 28 Führungen oder Exkursionen durchgeführt, der Kiki-Klub traf sich 20 Mal in jeweils 2 Gruppen.
Uwe-Peter Lestin, der Vorsitzende des Förderkreises des NABU-Artenschutzzentrums, zeigte sich einmal mehr begeistert vom Storchenfest, welches jedes Jahr im April stattfindet: „Es ist kaum zu glauben. Jedes Jahr freuen wir uns über das Storchenfest und denken, besser kann es nicht werden. Und dann findet das Fest ein Jahr später wieder statt und man stellt fest, dass noch mehr gutgelaunte Menschen gekommen sind und dem Fest irgendwie immer noch einen draufsetzen. Dieses Jahr findet das Storchenfest am 22. April statt. Ich bin schon sehr gespannt, was hier dann wieder auf die Beine gestellt wird.“